Elektronisches Mahnverfahren

Lässt sich ein Mahnverfahren elektronisch durchführen? Und hat es dann überhaupt Gültigkeit? Welche Bedeutung hat ein elektronisches Mahnverfahren für die Themen Titulierung, Forderungsabsicherung und Zwangsvollstreckung? Oder kurz: Was ist mit dem elektronischen Mahnverfahren eigentlich gemeint? Diesen Fragen gehen wir hier einmal konkret nach.

elektronisches Mahnverfahren - Richterhammer auf Tastatur

Kapp formuliert lässt sich sagen: Ein gerichtliches Mahnverfahren lässt sich nicht elektronisch durchführen. Punkt. Jedoch lässt es sich elektronisch – also genaugenommen online – anstoßen. Und das ist es auch, was gemeinhin unter einem elektronischen Mahnverfahren verstanden wird: der Online Mahnantrag.

Mahnverfahren anstoßen

Dabei wird der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides einfach über das Internet gestellt. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Angefangen vom Download-PDF, das dann ausgefüllt, gedruckt und verschickt wird, über das Onlineformular bis zum Königsweg, bei dem Antragsteller (also Gläubiger) von vornherein mit einem spezialisierten Dienstleister für das gerichtliche Mahnverfahren zusammenarbeiten. Vorteil dieser Variante: Der komplette Aufwand und alle bürokratischen und juristischen Details werden von einem Spezialisten durchgeführt.

Das, was an einem gerichtlichen Mahnverfahren elektronisch ist, ist also lediglich die Art und Weise, wie Gläubiger einsteigen. Das Mahnverfahren selbst ist und bleibt ein analoger Akt. Mahnungen bzw. Mahn- und Vollstreckungsbescheide werden ausdrücklich nicht via E-Mail oder auf sonstigen elektronischen Wegen zugestellt. Genau das Gegenteil ist der Fall: Die gerichtlichen Dokumente gehen der Gegenseite (dem Schuldner bzw. dem Antragsgegner) in amtlicher Zustellung, also im gelben Kuvert, zu.

Dafür gibt es einen wichtigen Grund: Nur wenn der Antragsgegner auch sicher Kenntnis von dem gegen Ihn angestrengten gerichtlichen Mahnverfahren hat, gibt es für ihn auch die Möglichkeit, Widerspruch einzureichen. Ein elektronisches Mahnverfahren im Sinne eines Mahnantrages per E-Mail schwächelt genau hier: Es ließe sich nicht garantieren, dass die Mahnbescheidsmail auch tatsächlich zugestellt und vom genau richtigen Ansprechpartner gelesen und verstanden wurde – zentrale Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit eines gerichtlichen Mahnverfahrens. Mit den heutigen Möglichkeiten ist ein elektronisches Mahnverfahren also rechtsstaatlich schlicht nicht möglich.

Titulierung, Absicherung und Zwangsvollstreckung

Neben der Realisierung der offenen Forderung stellen die Titulierung, Absicherung und Zwangsvollstreckung zusätzliche Sekundärziele im gerichtlichen Mahnverfahren dar. Damit diese Optionen fair sind, muss der Schuldner zwangsläufig über das gegen ihn laufende Mahnverfahren im Bilde sein, denn gerade die Zwangsvollstreckung berührt sensible Bereiche des Privatlebens von Schuldnern.

Lohn- und Kontopfändungen, die sich als Möglichkeiten in der Zwangsvollstreckung aus via Vollstreckungsbescheid abgesicherten und titulierten Forderungen ergeben, bedeuten für Schuldner den Verlust der Verfügungshoheit über die eigenen Vermögenswerte. Denn Banken und Arbeitgeber sind verpflichtet, Pfändungen Folge zu leisten. Bei einer Lohnpfändung bekommt der Arbeitgeber eines Schuldners also ganz zwangsläufig mit, wie das Zahlungsverhalten seines Mitarbeiters ist. Liegt eine Kontopfändung vor, können Schuldner ausschließlich an die pfändende Partei bezahlen und ansonsten überhaupt nicht über ihr Konto verfügen.

Diese beiden Pfändungsmöglichkeiten allein verdeutlichen, welchen Einfluss Gläubiger über die Titulierung und Zwangsvollstreckung auf Schuldner nehmen können. Um offene Forderungen zu realisieren ist das Instrumentarium ideal geeignet und auch absolut fair, denn Schuldner haben über das Design des gerichtlichen Mahnverfahrens selbst ja explizit die Möglichkeit, Einfluss auf den weiteren Verlauf zu nehmen. Und genau darum geht es: Nur über die amtliche Zustellung lässt sich gewährleisten, dass das gerichtliche Mahnverfahren keine Partei übervorteilt – genau das ließe sich über ein elektronisches Mahnverfahren aushebeln und wäre damit nicht mehr rechtsstaatlich.

Veröffentlicht unter Know How
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